— Vidi, audi, dixi. —

Reform der reformirten Reform der Dudenreform

GuthTeutsch
Im späten 17. Jahrhundert würde man es beispielsweise so orthgraphiren, doch wissen wir nur von eine Quelle im 19. Jahrhundert, die Buddenbrooks aufgriff.


Wußten Sie, daß Konrad Dudens Geburtsname Conrad lautete? Dies machte mich vor Jahren mißtrauisch, weil der bekannte Deutsche Rechtschreibreformer das lateinische Erbe der Deutschen Sprache verhunzt zu haben schien. Wer also war Duden? War er einer von den Vornationalsocialisten gewesen, welche später die Nazipartei formirten? War Duden Völkischer, ein alldeutscher Schwärmer, der das "Welsche" im Deutschen auszurotten trachtete, indem er Französische und Lateinische Lehnwörter eindeutschte? Änderte er die Schreibung seines Vornamens von C zu K als ein Neoteutone—noch immer im Krieg mit den alten Römern? Ich brannte darauf, die Wahrheit heraus zufinden und so studirte ich die Quellen.

Tatsache ist, daß Lateinische Fremdwörter welche im modernen Duden mit k geschrieben werden, ursprünglich ein c statt dessen enthielten. An diesem Punct scheint Deutschland sich von der westlichen Welt abgespalten zu haben. Doch, war dies Konrad Dudens Schuld? Zugegebenermaßen konnte ich ihn anfangs nicht leiden, doch nach dem Quellenstudium zollte ich ihm Respect und Sympathie. Nicht, dass ich all seine Ansichten hinsichtlich der Notwendigkeit einer Sprachreform teilte. Er war jedoch keinesfalls der Radicale für den ich ihn gehalten hatte. Im Gegenteil, war seine Argumentation recht ausgewogen, wenn er die Inconsequens in der Rechtschreibung seiner Zeit in den 1870er Jahren hinterfragte: Warum "Vokal" einerseits, doch "Consonant" andererseits? Sein Vorschlag war nicht, Französische und Lateinische Lehnwörter unbedingt zur k-Schreibung zu ändern. Was er forderte, war consequent entweder c oder k fest zuschreiben. Letztendlich zog er das k dann doch vor, worin meine Meinung von der seinigen abweicht. Deutschland war auf dem Egotrip, als es auf zwei Weltkriege zusteuerte—und so war es auch mit der seinerzeitigen Deutschen Rechtschreibreform. Zur Hölle mit dem Lateinischen und Französischen Erbe, das man mit Europäischen Brudervölkern teilte—"Deutschland, Deutschland über alles!" Konrad Duden verhinderte dies nicht, doch das letzte was er tat, war den Nationalismus der vornationalsocialistischen Decaden orthographisch zu betreiben. Im Gegenteil, war er ein recht bescheidener Geist und alles andere als ein großmäuliger Radicalinski. In meinen Ohren klang er absolut so, als hätte er das romanische Erbe und dessen Ursprungsländer respectirt. Und was später der officielle "Duden" genannt wurde, war nicht notwendigerweise alles Konrad Dudens Werk. Er war der Gemäßigte, der mit den radicalen Reformisten seiner Zeit Compromisse schließen mußte und das Ergebnis war der officielle Duden.

In der Zwischenzeit hat man dieses Reformwerk mehrfach reformirt. Und wann immer die Deutsche Regierung sich daran macht, die Reform der Reform zu reformiren, regt sich Protest, als wäre der Duden die Essents Deutscher Sprachtradition seit Jahrhunderten. Tatsächlich hat das Deutsch der Vordudenzeit weitaus mehr Sinn enthalten. Verallgemeinernd, tendire ich dazu, von der Epoche vor 1850 zu sprechen, da Schreibgewohnheiten sich lange vor der Dudenschen Reform zu ändern begonnen hatten. Viele hatten bereits die k-Schreibung vorgezogen, obwohl das c über Jahrhunderte Standard gewesen war. Es war eine Art linguistischer Bildersturm einer beginnenden Deutschen Nation, deren Volk seit dem Mittelalter ständig von Französischen Invasionen bedroht gewesen war. Nachdem Sonnenkönig und schließlich Napoleon zurückgeschlagen waren (zusammen mit den englischen und holländischen Alleirten!), scheinen die Deutschen beschlossen zu haben, selbst schwierig, ungezogen und destructiv zu werden. Vor der Zerstörung der Weltkriege, begannen sie ihre eigene Sprache zu zerstören.

Der abwegige Grundgedanke hinter der ersten Dudenreform, um 1900, bestand in dem Excess ihrer Consequents an sich. Im Englischen gibt es diesen Grad an Consequentheit nicht, sondern eine Menge an Variationen. Variation ist mindestens so wichtig wie Consequentheit. Ein zuviel an Consequentheit ist nichts als pathologische Zwangsvorstellung. Doch selbst die moderne Deutsche Rechtschreibung ist keineswegs consequent—sie ist ruinirt, das ist alles. Obwohl Leute meist dahin tendiren, jenes als gottgegeben anzusehen, was sie dereinst in der Schule gelernt haben, wird mancher Deutsche begreifen, daß es keine gute Idee gewesen war, Lehnwörter mittels Entstellung als solche unkenntlich zu machen. Es mag sein, daß Schulanfänger damit glücklich sind, solange sie keine Fremdsprachen lernen. Sobald es aber mit Englisch, Französisch und Latein weiter geht, wird der Bruch offenbar und es wird nur schwieriger. Sich über die Reform meiner Schulschreibung aufzuregen ist reiner Egoismus. Wer die Deutsche Sprachgeschichte kennt und ehrlich agumentirt, wird den Duden generell hinterfragen—so wie er um 1900 officiell wurde. Der schlechte Schüler um 1750 buchstabirte "marchieren" anstatt correct "marchiren", nur weil "manieren" ja auch mit ie zu schreiben sei. "Manier" ist in der Tat das correcte Französische Lehnwort, "-iren" dagegen die eingedeutschte Form der alten Französischen Endung "-ir". Correct war also damals "marchiren" und "Manieren". Heute ist diese Grammatiklection in der Deutschen Sprache verflacht—ie derartig consequent zu verwenden, wie aus dem modernen Deutschen "marschieren" hervorgeht, war alles andere als intelligent. Man muß auf den ersten Blick erkennen können, daß diese Sprachform von einer Französischen Endung her stammt. Diese Dinge müssen stets eindeutig bleiden, weil wir den weiteren Sinn Europäischer Sprachen ingesamt zu berücksichtigen haben. Was statt dessen geschah, war bloße Simplificirung. Man findet dererlei Tendencen in so ziehmlich allen Sprachen, doch Deutsche Rechtschreibreformer betrieben diese Perversion bis zum Excess. Dies hatte durchaus unangenehme Consequencen.....

Vielleicht haben Sie einmal gehört, daß Deutsch nicht wirklich ideal zu singen ist. Der berühmte Caruso sang Italienisch, Französisch, Spanisch, Englisch, Russisch und vermutlich noch mehr Sprachen, doch weigerte sich Deutsch zu singen, weil er um seine Stimmgesundheit fürchtete. Lange vor der Zeit Carusos war die Deutsche Sprache variantenreicher gewesen, wozu auch Möglichkeiten zählten, Vocale zu involviren oder wegzulassen. Man hatte die Freiheit entweder "kommt alle" oder "kommet all(e)" zu sagen. Oder wie wäre dieses: "Die Bauren tanzeten"—in modernem Deutsch: "Die Bauern tanzten." Versuchen Sie mal so eine Anhäufung von Consonanten zu singen: "Die-Baue-rnta-nzte-n." In dieser Weise gehen geschulte Opernsänger nämlich vor und kommen über die Klippen der Consonantencluster. Die erdrückende Last an Consonanten wird zusammen gefaßt, um sie möglichst schnell über die Zunge zu bringen, damit die wenigen Vocale einigermaßen ungehindert klingen können. Es functionirt, wird aber niemals befriedigend sein, bis daß die Deutschen zurück zu ihren Wurzeln orthographischen Variantenreichtums gehen.

Demoiselle Amelise

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