— Vidi, audi, dixi. —

Wege aus der allgemeinen Verblödung

Verblödung ist überall mit Händen zu greifen
Wie sieht die Zukunft nach der Spaßgesellschaft aus? Kann unsere Gesellschaft den Weg hedonistischer Verblödung wieder zurück gehen?


Mitte der 80er lebte ich in einer Stadt mit etwa 150.000 Einwohnern und erreichte mit Anzeigen im dortigen Lokalblatt eine Menge. Mehr als einmal schaltete ich dort Anzeigen und jedesmal meldeten sich Instrumentalisten für meine Jazzprojecte. In Berlin erreiche ich etliche Millionen, doch es tut sich überhaupt nichts. Momentan habe ich eine Anzeige bei Ebay laufen, die mit Suchbegriffen zu Region und Musikstil leicht zu finden ist. Ist da wirklich niemand, der das Internet befragt, wie man seine Zeit sinnvoll verbringen kann? Vegitiren alle wie Schafe vor sich hin? Verblödet Deutschland zunehmend?

Was ist im 21. Jahrhundert eigentlich mit den Leuten los? Ich habe das Gefühl, nichts ist mit denen los. Vor Jahren versuchte ich es mit Anzeigen bei renommirten Berliner Blättern, um Mitspieler für eine Jazzband zu finden. Die einzigen Anrufe, die in der Folge bei mir eingingen, erfolgten von Leuten die lediglich sangen. Sänger gibt es viele, etwa unter der Dusche, beim Arbeiten auf der Baustelle, oder wo auch immer. Wer nur singt ist für mich musicalisch bedeutungslos. Ich singe selbst, nach gründlichem Gesangsunterricht in jungen Jahren. Bloßes Singen entbehrt aber den musicalischen Grundbegriffen, wenn man diese nicht gleichzeitig auf einem Instrument erarbeitet. Dazu gehört die Bereitschaft, sich geistig mit Music auseinander zu setzen. Diese Bereitschaft scheint abhanden gekommen zu sein. Die Leute consumiren Music nur noch passiv.

Die Ursache für diese allgemeine Verblödung glaube ich zu kennen und die liegt im Hedonismus der 90er: "Das ganze Leben ist ein Quiz" - es wurde nur noch geblödelt, Spaß war alles, Ernst und Vernunft abgesagt. Damals kam ich mir beinahe wie der letzte Mensch unter einer Horde von Affen vor und hatte böse Vorahnungen. Denn wer dermaßen radical mit der Vernunft bricht, kann in der Consequenz nur verblöden. Leider waren es nicht nur die ganz Jungen, die in den 90ern diesen Pfad beschritten, sondern viele Ältere sympathisirten. Daraus ist offensichtlich eine allgemeine Volksdebilität erwachsen.

Der Neoliberalismus konnte damals hervorragend greifen, weil critisches Denken ja nicht mehr galt. Uncritisches Consumverhalten begünstigt die Werbeindustrie und Billiglohnzahler finden leicht Opfer. Wer nicht logisch denkt, gibt seine Menschenrechte auf und endet in der hilflos und stumm erleidenden Opferrolle des Viehs. Wer kein politisches Bewußsein hat, opfert seine politischen Rechte. Alles kann man mit so einem wehrlosen Menschen machen. Schauen wir nur in die Dritte Welt, wo Menschen anscheinend sinnlos leiden. Was bei uns anders ist, fußt auf der aufklärerischen Idee der Vernunft. Wohlstand und Rechtssicherheit basiren auf Rationalismus. Auf diese Philosophie-Tradition blickt man in vielen Teilen der Erde leider nicht zurück. Doch wenn wir den Rationalismus aufgeben, werden wir uns letztlich auf derselben Culturstufe wiederfinden wie die Dritte Welt. Die Spaßgesellschaft hat letztlich einen hohen Preis.

Nur der logisch denkende Mensch kann sich effectiv wehren. Einen Dumkopf kann man verarschen, man kann ihn ausnutzen, bestehlen und am Ende verliert er leicht auch noch sein Leben. Dummköpfe verschleißt man unter schrecklichen Arbeitsbedingungen, sie altern und sterben früh. Einen Wert mißt man ihnen kaum bei. Wo es ein Heer von Dummköpfen gibt, findet sich leicht Ersatz. Diese Leute leiden wehrlos wie Vieh, weil sie wie Tiere nicht über die geistigen Fähigkeiten verfügen, um ihre Rechte einzufordern.

Meine Hoffnung ist, daß der Rationalismus irgendwann wieder Mode wird und daß wir dann wieder auf den rechten Weg kommen. Vielleicht sollte ich in der Zwischenzeit musicalische Entwicklungshelferin spielen, um den Leuten ehrenamtlich Grundbegriffe zu vermitteln. Daraus könnte sich langfristig eine Sessionszene entwickeln.....

Demoiselle Amelise

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