— Vidi, audi, dixi. —

Ist die gegenwärtige Dudenschreibung consequent und logisch?

Sprache ist ungleich Mathe!
Meine Teutsche Schreibung, der ich mich auf galantewelt.de in der Regel bediene. Meinem Empfinden nach die beste aller deutschen Rechtschreibungen, die es je gegeben hat, jedoch von der Mehrheit heute nur schwer lesbar.


Die Frage ist, ob Consequenz und absolute Logic in Sprache überhaupt absolut sein sollten. Sonst müßte man auch den Duden völlig neufassen, von dem allgemein behauptet wird, er hätte die deutsche Rechtscheibung schlüssiger gemacht. Auch die vergangene Dudenreform hatte dieses Ziel. So wie ich es sehe, hat man den Duden einfach nur verschlimmbessert. Seine Einführung zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte die deutsche Sprache bereits entstellt und so konnte ich über die letzte Reform schwerlich in Tränen ausbrechen. Daß aber alle Unschlüssigkeit der vergangenen ß-Schreibung angelastet wird, finde ich wunderlich. Diese Schlüssigkeit gab es bei deutschen s-Lauten noch nie und es gibt sie auch heute nicht.

"Du musst es machen mit Lust."

Hier handelt es sich um zwei gleichlautende st-Laute, die jeweils unterschiedlich orthographirt werden. Um 1700 schrieb man in der Regel "Du must es machen mit Lust" und war damit wesentlich consequenter. Ich bin mir noch gar nicht schlüssig, ob ich dies in meine Regelrechtschreibung hier einführen will, obwohl ich es tatsächlich besser finde. Wird meine Rechtschreibung allzu teutschelnd, verschlechtert sich die Lesbarkeit dieser Zeitung. Und ist letztlich der Ruf nach Consequentheit nicht Ausdruck von Zwangsneurose?

Laßt uns dem Zwangsgedanken einmal Raum geben, um eine vollkommen schlüssige Schreibung für die deutsche Sprache zu entwerfen. Schlüssig kann es nur dann werden, wenn man Vocale am Vocal selbst dehnt und nicht am Consonanten. Schreiben wir also den Brief mit ii und den Gruß darinn mit uu. Ein t ist immer ein t, unabhängig vom vorangehenden Vocal. Streichen wir also das doppelte t ganz, weil es einfach überflüssig ist. Soviel ich gehört habe, will man mittels Rechtschreibreformen ja vereinfachen. Wenn wir also in dem Briif freundlich biten, so ist dies consequenter und einfacher. Ein Dorn wäre indessen noch die Freundlichkeit selbst, weil dessen eu eigentlich oi gesprochen wird. Beginnen wir unseren Brief also:

"Iir froindlicher Briif hat mich seer gefroit."

Hier schreiben wir tatsächlich schlüssig, nämlich so wie im Hochdeutschen tatsächlich gesprochen wird. Dabei dürften s-Schreibungen das geringste Problem sein: Man schreibe weiches s einfach s und hartes s halt ss. Dies würde bedeuten, dass man auch "das" mit doppeltem s schriebe. Was keineswegs zu Sinnentstellungen führte, weil man den Sinnzusammenhang immer erkennen wird.

"Es hat mich auch gefroit, dass sie dass Couvert so net verziirten."

Ich sehe da keine Probleme mit dem Sinnzusammenhang. Schicke mir einmal jemand einen Satz, wo es da problematischer wäre. Ich selbst habe über Jahre kein solches Beispiel gefunden. Allerdings berühre ich im letzten Beispielsatz ein anderes Problem, das tatsächlich auch mir auf den Nägeln brennt. Hätte ich consequent "kuuwert" schreiben sollen? Meiner Ansicht nach hat die Wilheminische Generation ein Verbrechen begangen, indem sie nämlich Französische und Lateinische Fremdwörter ihrer Eindeutigkeit beraubten. Es gehört einfach zur Grundbildung zu wissen, welche Wörter etwa aus dem Französischen stammen. Deshalb müssen diese Worte als solche klar zu erkennen sein und sollten keinesfalls mit K geschrieben werden! Die Deutschen sind heute keine chaotischen Eigenbrödler mehr, die wie die letzten Idioten in einen Weltkrieg schlittern. Unsere Generation hat dererlei entstellende K-Schreibungen auch nicht verbrochen, sondern hat man sich leider daran gewöhnt. Ich will ja auch gar nicht weiter herumdoctern, sondern mich auf Schreibtraditionen beziehen, die auf jeden Fall ästhetisch sind. Meine hier entworfene, consequent logische Schreibung will ich schnell wieder vergessen.

Durch die neue s-Lastigkeit ist die deutsche Rechtschreibung häßlicher geworden. Ich persönlicher mag die alte th-Schreibung, doch würde mich nie dazu versteigen, dessen Wiedereinführung zu fordern. Selbst hier schreibe ich so nicht, weil dies die Lesbarkeit erheblich beeinträchtigte. Was man jedoch an den alten Schluß-ß verbrochen hat ist einfach häßlich. Diese Schreibungen gingen im Deutschen bis ins späte Mittelalter zurück und sind wesentlich ästhetischer als palettenweise eingeschusterte ssss. Schaue man sich nochmals meinen ersten Beispielsatz an: Es gibt in der deutschen s-Schreibung überhaupt keine Consequenz, solange man nicht Lust, Frust, Brust etc. mit doppeltem s schreibt. Was ich auf keinen Fall anregen will, denn der Gedanke rechtschreiblicher Consequentheit ist reiner Zwang. Sprache ist keinesfalls mathematisch entworfen, sondern unterliegt Schreib- und Sprechtraditionen. Manche Reformen ergeben durchaus Sinn, was man jedoch im frühen und ausgehenden 20. Jahrhundert an der deutschen Sprache verbrochen hat, hat sie ruinirt. Ich finde es eigentlich wenig attractiv, modernes Deutsch zu sprechen und spreche daher viel lieber Englisch. Meine Hoffnung ist, daß sich irgendwann einmal eine besonnene Generation daran machen wird, den Schaden zu repariren. Ich selber bevorzuge daher, was ich meine neoclassicistische Schreibweise nenne. Eigentlich mag ich die Rechtschreibung um 1700 viel lieber. In meinen neoclassicistischen Compromissen bügle ich lediglich die schlimmsten Sünden der Dudenschreibung aus. Manchmal bin ich mir da noch unschlüssig, etwa ob ich c tatsächlich auch am Wortende setzen soll. Bei Music ist es schon eingerissen, weil es mir sowohl im Teutschen, als auch im Englischen geläufig ist. Consequenter Weise sollte ich dann auch "Physic" schreiben, habe da aber noch Zweifel. Denn wenn es am Ende gar zu sehr teutschelt, kann ich gleich so schreiben, wie ich auf galantewelt.de ja sonst immer schreibe. Was den meisten Menschen unlesbar erscheint. Ich muß aber ja auch nicht consequent sein, weil ich an Verabsolutirung orthographischer Consequenz noch nie geglaubt habe. Die große Stärke der Vordudenschreibung war deren Formenreichtum, welche aus einem Weniger an Consequenz erwuchs. Deshalb klingt altes Deutsch auch besser - vor allem weil es vocalreicher war.

Demoiselle Amelise

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