Obigen Text schrieb ich, während ich noch auf Wilhelmines Ankunft wartete. Was mich in jenen Tagen beeindruckte, war ein großes Gefühl von liebevoller Verbundenheit zu diesem Instrument, welches die Vorbesitzerin in ihrem Ebay-Angebot zum Ausdruck brachte. Ihr Vater hatte an dem Spinett componiert und nun hoffte sie, daß es eine "...erfahrene Hand findet, die ihm zu neuem "Glanz" verhilft..." Eine erfahrene Hand habe ich in Sachen Cembalos ganz und gar nicht. Ich finde aber, das sie in ihrem Debütvideo bereits zu glänzen anhebt. Dabei tut sie genau das, was ich prophezeit hatte: Nicht ich zwinge ihr meinen Stil auf, sondern führt sie mich dorthin, wo ich mich stilistisch nie zuvor aufgehalten hatte. Manche Leute mögen es albern finden, Instrumenten Vornamen zu geben. Doch Wilhelmine ist nicht einfach eine 'Drahtcommode'. Nein! Wilhelmine hat eine Persönlichkeit und das stellt sie hier unter Beweis.

Ich hatte Greensleeves schon vor Wochen versucht zu spielen. Dazu nutzte ich den von mir bevorzugten digitalen Cembaloklang auf einem Keyboard. Dieses Digital-Cembalo hatte mich vor 1 1/2 Jahren bereits vorangebracht - ein spottbilliges Yamaha-Keyboard von Lidl. Das Cembalo auf meinem älteren Akai-Soundmodul ist eigentlich hochwertiger (man hört sogar die Spinger wieder auf die Saiten zurückfallen), das neue entsprach jedoch einem Cembalotyp den ich klanglich schätzte und so wurde ich inspiriert. (Man hört den Unterschied auf Galantewelt.de in meinem alten La Folia Video - für Cembalo und Tenorflöte - von vor 4 Jahren). Was ich jedoch nicht auf diesem Lieblingsklang zuwege brachte, war Greensleeves. Digitalisierungen von Tasteninstrumenten sind letztlich nichts als deren seelenlose Abgüsse. Insbesondere betont langsames Spielen wurde mir von Digital-Cembali schwerlich verziehen. Resulierende Aufnahmen klangen fad und langweilig. Dementsprechend war ich gar nicht in der Lage gewesen, Greensleeves recht mit Lust und Liebe zu spielen. Ich spielte es halt einfach herunter, damit ich Geige danach üben konnte. Das Resultat stellte ich hier deshalb nicht ein, weil es einfach unbefriedigend ist.

Wilhelmine verzeiht mir alles - das ist die Erfahrung die ich gerade heute in Mitten von Greensleeves gemacht habe. Meine Schultern fingen während des Spieles unwillkührlich an mitzutanzen. Sie verzeiht übrigens auch viel eher, wenn ich Fehler mache. Verspieler klingen auf Digital-Cembalos unbarmherzig. Man möchte das Stück abbrechen, um wieder von vorne anzufangen, weil es so klingt als wenn die ganze Aufnahme vedorben ist. In dem vorliegenden Video sind einige Verspieler meinerseits enthalten, welche aber gar nicht mal übel klingen. Es sind auch einige Momente darunter, wo ich harmonisch verwirrt war und mich fragte, wo es mich gerade hintrieb. Auch hier brach ich nicht ab, weil Wilhelmine dennoch gut klingt. Und dies, obwohl sie noch gar nicht optimal eingestellt ist! Ein große Zahl ihrer Plektren sind an der Spitze angeknickt. Ich habe diese Spitzen einfach abgeknickt, um dann die ganze Springerzunge etwas weiter nach vorne einzustellen. Die Bruchstellen reißen also jetzt die Seiten an und keineswegs einwandfrei ersetzte Ersatzplektren (was ich noch in Angriff nehmen werde). Wilhelmine klingt aber besser als die sterilen Digitalschwestern, weil sie eine Seele hat. Wenn sie hier bereits glänzt, so ist das nicht etwa mein spieltechnisches Vermögen, sondern es kommt von ihr. Das sie so aber mein spieltechnisches Vermögen voranbringen wird, steht jetzt ganz außer Zweifel. Sie improvisiert hier übrigens eine blose Begleitung für Greensleeves. Anschließend weigerte ich mich, Blockflöte darüber zu spielen. So hatte ich es eigentlich geplant, doch Wilhelmine ist viel zu schade dafür. In den nächsten Tagen werde ich eine Version aufnehmen, wo ich dazu singen und flöten werde. In dem vorliegenden Video soll Wilhelmine ganz allein glänzen. Ich verneige mich vor diesen prachtvollen Instrument, sowie vor dem Künstler der es vor mir nutzte.

Bild unten: Wilhelmine von Bayreuth als Braut im Jahr 1731 - Namenpatronin von Sperrhake Silbermann-Spinett Wilhelmine, die im Jahr 1963 das Licht der Welt erblickte und erst Ende Julie 2015 auf den Namen der großartigen, hochfürstlichen Künstlerin und Geistesriesin getauft werden soll. Wilhelmine von Bayreuth war als Princessin des Brandenburg-Preußischen Hofes ein schrecklicher Fall von Kindesmißhandlung, was vielleicht ihre Genialität mit vorangetrieben hat. Im Gegensatz dazu, kommt Spinett Wilhelmine aus gutem Hause, wo es ihr stets wohl erging. Nach dem Erwerb, nehme ich diese gewissermaßene Adoption sehr ernst, sodaß ihr Wohl auch künftig im Vordergrund stehen soll. Im Anbetracht der Tatsache, daß ihre Namenspatronin sogar Opern komponierte, wird Wilhelmine mich gewiß zu neuen, außergewöhnlichen Ufern der Creativität führen. Sie wird meine Music-Auffassung neu prägen.