Vidi, audi, dixi.

- Allsonntäglich -

Nr. 12.


Anno '09.


Ausgaben:

Project „GalanteWelt“

Galante Peruque

Generalbaß-Musik

Lully – Corelli

Auf Heller & Pfenning

Schrot und Korn

Historischer_Tanz

Museumsbesuch

Galante Epoche?

Warum galante Welt

Wider das 'b'-Wort

Histor. Correspondenz

Messen & rechnen

Reenactment

Der Schreibmeister

Gutnachbarschaftlich

Künftige Erscheinung

Galante Reinlichkeit

Diktatur der Historiker

Historische Correnspondenz

Vor sechs Jahren ist dieser Begriff in einem besonders interessirten Kreis, innerhalb der „Freunde deutscher Kurrentschrift“, geprägt worden. Einige in diesem Circel schreiben die deutsche Schrift in einem Ductus, der Jahrhunderte alten Originalen entspricht. Daneben bedient man sich auch der „Teutschen“ Sprache und Orthographie jener Zeit.

In letzter Zeit sind von 'interessirten' Personen Anfragen laut geworden, wie man es denn anstellen könnte, gleichfalls eine historische Correspondenz auf zunehmen: Welche Zeit denn wohl die richtige sei, ob es Material gebe und ob jemand bei der Auswahl behilflich sein könnte ... Die Reaction besagter Currentfreunde fiel nicht sonderlich begeistert aus. Die Leute dort haben sich schließlich selbst in ihre Interessengebiete hinein gearbeitet. Die Anfrager aber scheinen weniger selbständig zu planen - wünschen quasi einen 'Animateur'. Einer sprach sogar vom „Lehrer“, den er zu finden hoffe, ohne zu bedenken, daß dies eine Berufsbezeichnung ist. Welcher Lehrer nimmt schon unentgeltlich Schüler an (es sei denn aus caritativer Mildherzigkeit, bei socialen Notfällen)? Speciell interessirte Freizeitforscher freuen sich stets, wenn sie auf ähnlich interessirte Menschen treffen, mit denen sie sich austauschen können. Doch die beschriebenen Anfrager sind hier eher eine Enttäuschung. Allzu groß scheint das Interesse ja nicht zu sein – zudem womöglich nur vorrübergehend ...

In einem RBB-Interview erzählte eine bedeutende Politikerin der alten Bundesrepublik von ihrer Studienwahl in jungen Jahren. Eigentlich schwärmte sie für Deutsch und Geschichte, bekam jedoch den Rat, besser Jura zu studiren - das andere könne man sich selbst erarbeiten. Das ist nur allzu wahr und dies ist wohl auch der Grund dafür, weshalb es so viele arbeitslose Historiker gibt. Ein historisch begeisterter Freizeitforscher dringt oftmals weitaus tiefer in die Historie ein, als ein Berufshistoriker – auch wenn es etwa um Sprach- und Schriftgeschichte geht. Was jedem Interessirten eigentlich zur Ermunterung dienen sollte – wenn nicht falsche Geschichtsklischees im Wege stünden: Die Leute haben ein verklärtes Vergangenheitsbild und sobald sie auf Originalquellen stoßen, sind sie ernüchtert. Das 18. Jahrhundert ist gar nicht das Paradis unbeschwerter Lust und Heiterkeit. Schaut man sich gründlich in den Quellen um, erscheint die Welt dort genauso dürftig und grau, wie im 21. Jahrhundert. Man braucht nur die Braunschweiger Ordinari Post-Zeitung auf zuschlagen und stößt in einer Ausgabe des Jahres 1700 auf zwei 'spielende' Knaben:

„... fieng der Aelteste den Jüngsten übel zu tractiren an/ ihm mit einem Messer in die Finger zu schneiden/ und endlich dergestalt zu verwunden/ daß er endlich in seinem Blut erstickte.“

„Das kann doch nicht sein! War früher nicht alles besser?“ Viele Menschen reagiren so ähnlich, weil sie die Vergangenheit verklären. Die Kinder waren aber nicht artiger und Amokläufe gab es auch. Und genau wie nach heutigen Amoktaten, zerbrachen sich die Menschen (laut Zeitungsbericht von 1700) den Kopf: Warum nur? - Historische Correspondenz ist nur möglich, wenn sie auch solche Facetten mit in Betracht zieht, für möglich hält. Im anderen Falle bezieht sie sich auf eine Scheinwelt. Beispielsweise auch beim historisirend verbrämten Schwerenöter: Er sieht das 18. Jahrhundert als einen Hort der 'Liebe', und wagt im Gewande eines Casanova Dinge, die er sich sonst niemals getrauen würde. Flüchtig bekannte Frauen bekommen plötzlich schwelgerische Briefe, gespickt mit manirirt blumigen Gallicismen, die sich fast schon wie Heiratsanträge ausnehmen. Auf der Damenseite gibt es den Typus der Mozartverliebten, welche sehnsüchtig nach ihrem Prinzen Ausschau hält. Schnappen die etwas von Themen unserer galanten Welt auf, schwärmen sie gleich von der Pompadour, kleiner Nachmusik und den Abenteuern Casanovas. Die Zeit von Ludwig XIV., bis zur Guillotinirung Ludwig XVI. scheint ihnen ein Katzensprung zu sein. Und so tun sie die Mozartzöpfe ohne Schwierigkeiten in das frühe 18. Jahrhundert, oder stülpen die Peruque des Sonnenkönigs einem Zeitgenossen um 1760 über. Daß darüber ganze Generationen abtreten, scheint ihr Vorstellungsvermögen zu übersteigen. 56 Jahre nachdem der oben beschriebene 8-jährige von einem 12/13-jährigen mittels Messer zutode gequält wurde, möchte einmal Mozart auf die Welt geboren werden und kann dann immernoch keine einzige Note lesen. In dieser Zeit sterben knapp zwei Generationen an Alterschwäche und zwei neue wachsen nach.* Die Welt wird also zweimal umgekrempelt, denn jede neue Generation drückt ihr einen eigenen Stempel auf.

Nun zurück zur Frage unseres Aspiranten der historischen Correnspondenz: Wenn er sich zeitlich orientiren will, muß er sich einer Generation zuordnen. Am besten, er legt sich ein festes Geburtsdatum zu. Gehört er etwa zum Jahrgang 1980, böte sich theoretisch 1680 an. Damit wäre er nur 5 Jahre älter als die Herren Bach** und Händel. Interessirt ihn eher die Zeit 100 Jahre zuvor, oder danach, wird man ihm auf galantewelt.de nicht helfen können, wo man fest in der Zeit um 1700 verwurzelt ist, um den Rest weitgehend aus zublenden. Ein historischer Correspondent muß das tun – kein Mensch kann in mehreren Menschenaltern zugleich agiren! Interessirt er sich für das gesamte 17./18. Jahrhundert, wird er von jeder Decade nur ein wenig mitbekommen, hingegen in keiner Generation richtig zuhause sein. Was allerdings hervorragend functionirt, ist die Correspondenz zwischen verschiedenen Jahrhunderten. Die Briefe laufen dann gewissermaßen über eine Zeitmaschinenpost. Wenn jeder dabei das Wesen seiner Generation hervorkehrt, kommt es zwangsläufig zu 'Mißverständnissen': Ein Zeitgenosse Luthers, oder der Revolution von 1848, müssen die Gedanken, welche einer galanten Feder entfließen, vielfach mißdeuten, teils sogar mißbilligen. Das kann durchaus interessant werden ... - Einige wollen das nicht. Sie möchten, daß jemand speciell ihre Interessen teilt, was wenig realistisch ist. Mancher interessirt sich für militärische Aspecte, andere für höfisches Leben, wieder andere für ländlich bäurisches ect. ... Frauen haben meist einen völlig verschiedenen Zungang als Männer. Und dann gibt es so kleine Vorlieben und Abneigungen Einzelner, die oft unüberbrückbar sind: Eine Frau in einer der Gruppen historischen Tanzens liebte Lully, Händel, Telemann, Bach ect. ... Cembalos mochte sie jedoch nicht hören, sie fand deren Klang einfach unausstehlich. Dafür fesselte sie das Liebesleben bei Hofe, ja sie nähte sogar historische Unterwäsche. Diese Dame begeisterte sich für die selbe Zeit wie die Autorin - dennoch war Communiction nur sehr eingeschränkt möglich.

Correspondirt unser galanter Scribent etwa mit dem Biedermaier, bleibt er dennoch in seiner Zeitebene. Dazu muß der Herr Cavalier sein Leben keineswegs im Turm verbringen. Er muß auch nicht alle Tage in Quellen herum wühlen. Er dampft die Menschheitsgeschichte ja auf wenige Augenblicke ein und schaut wie durch ein Microscop in seinen Microcosmos. Die Zeit wird ihm als Jahrgang 1680 schon Material zuspielen. In der Bibliothek stößt er zufällig auf die Abbildung einer Welt-Charte von 1710, die er prompt copirt und aufbewahrt. In einer Zeitschrift wird eine Passage aus einem Text von 1690 citirt, die man sich natürlich ausschneidet. Im Rundfunk wird mancher Originalton citirt, was man mitschneiden und anschließend notiren kann. An einem freien Samstag kann man in ein Archiv gehen, um gezielter zu suchen. Oder man wählt eine große, besonders reichhaltige Bibliothek. Dort findet man nicht allein Bildbände, mit Originalseiten, sondern gleichwohl Reprints, womit man practisch Originalbücher zur Hand hat.*** Wenn unser Herr Cavalier gegenwärtig im Jahre 1709 steht, sollte er ein Buch von 1715 nicht unbedingt verschmähen, denn so gravirend ändert sich die Zeit nicht. Entscheidend ist, daß er genau weiß, wo er hin gehört, um sich jederzeit orientiren zu können. Wenn unser Freund des Jahrgangs 1680 von seiner Zeitebene wirklich begeistert ist, schluckt er alles, was davon zu bekommen ist. Sicher wird er auch entsprechende Musik-CDs anschaffen. Im Laufe der Zeit bekommt er so ein derartig scharfes Bild, daß sich dagegen mancher Geschichtsprofessor wie ein Waisenknabe ausnimmt.

Einige wenden hier ein, es bestünden alte Buchtexte in 'Kunstsprache', der Correnspondent müßte daher besser aus Originalbriefen lernen. Was man galanter Literatur eigentlich kaum unterstellen kann, weil die Autoren zumeist schreiben, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Louis Bonin beginnt sein Capitel über die „Caprice im Tanzen“ folgendermaßen:

„Die zwey ersten Theile des Tanzens/ werden vorhoffentlich so ausgefüret seyn/ daß man sich einen rechten Concept davon wird zu machen wissen/ ich will zwar nicht läugnen/ daß es noch deutlicher geschehen könnte/ aber gar zu viele Weitläufftigkeit/ in wenig Bögen zu gebrauchen/ lässet sich nicht tuhn/ und schicket sich auch nicht.“

Das gesamte Buch plaudert – von vorne bis hinten – im Stile eines lockeren Privatbriefes, was in der galanten Welt ziemlich normal ist. Der Leser erfährt also nicht allein etwas über galantes Tantzen, sondern atmet obendrein Alltagssprache. Bonin ist hier keine Ausnahme. Heißt es zu Anfang eines Buches etwa „Vorrede“ / „Vorbericht“ / „An den günstigen Leser“, oder „Hochgeneigter Leser“ ect., folgt darauf jedesmal eine recht persönliche Ansprache. Geht dem auch noch eine Widmung an den fürstlichen Gönner voraus, könnte diese genauso einen Privatbrief an denselbigen vorstellen. Es gibt ja auch nichts Öderes, als gekünstelte Bücher, welche meilenweit von Alltagssprache entfernt sind. Umgekehrt ist unbestreitbar, daß das Lesen guter Bücher auch die Alltagssprache verbessert. Menschen, die anspruchsvolle Literatur lesen, schreiben nicht allein schönere Briefe, sondern drücken sich auch mündlich gewählter aus. Die Behauptung, Bücher enthielten gekünstelte Sprache, welche die Alltagssprache nur verdürbe, ist eine uralte Ausrede von Lesefaulen. Was den gewöhnlichen Briefeschreiber um 1700 angeht, sollte dieser lieber nicht zum Vorbild dienen. Das Niveau ist oftmals zu flach, und der Sprachstil einfach schlecht. In einer älteren Biographie über Prinz Eugen wird ein Brief des berühmten Feldherrn folgendermaßen citirt:

Mithin miessen¹ diese arme leith¹ wie ein Vieh auf der bloßen Erde herumb-fahren, wodurch die mondur² gänzlich⁵ abgerissen wird und consequenter der Soldat, da Er² nach ausgestantenem Veldtzug³ billich Eine² Ruhe und nur gar zu wohl verdiente Ergötzlichkeit haben solle⁶, aniezo⁴ doppelt mehres fatiguen als in der Campagna ausstehen muß. Es ist nit zu beschreiben, khan⁵ Es² auch niemandt glauben, der s² nit mit Augen ansieht, was für Eine² große miseria² und Ellendt bey der Armée seye und ich khan⁵ Eurer Kayserlichen Majestät mit Wahrheit sagen, daß dergleichen in Vill² Jahren nit gesehen habe.

Der Autor besagter Biographie meint dazu, dieser Brief gäbe ein Beispiel seinerzeitiger Rechtschreibung. Nun, im Fuß wird man hier das Gegenteil befinden (in der abhebenden Correcturfarbe rot). An des Prinzen Schreibstil wären an dieser Stelle noch die vielen Wortwiederholungen zu critisiren, welche hier eindeutig nicht als Stilmittel gemeint sind. Mustergültig ist dieser Brief auf keinen Fall - man sollte jeden Aspiranten der historischen Correspondenz vor solchen Beispielen warnen: Man kann seine Sprachintelligenz über historische Correspondenz auch ruiniren, um auf diesem Wege zu degeneriren ... Dann allerdings möchte man vor historischer Correspondenz generell warnen! Freilich gibt es weit schlimmere Beispiele, als vorliegenden Briefauszug Prinz Eugens. Es mag durchaus witzig erscheinen, einmal den Briefstil eines frühneuzeitlichen Hinterwäldlers zu imitiren. Langfristig wird man sich selbst und seine Nachkommen auf diesem Wege verblöden ...**** - Im nächsten Briefauszug schreibt ein Literat, der Hamburger Capellmeister Johann Mattheson, an einen gewissen Dr. Heumann und obwohl es sich doch um einen Privatbrief handelt, läßt sich hier durchaus „Kunstsprache“ diagnosticiren:

„HochEdler, Hochgelahrter Herr Doctor, . . Ich bin ein beständiger Verehrer ihres philosophischen Geistes, und eifriger Leser ihrer vortrefflichen Schrifften. Was zwischen dem Hn. D. M-- und meiner Wenigkeit vorgefallen, und wie dieser mich hantiert habe, wird Ihnen besser, als mir bekannt seyn, indem ich nur die abgeschriebenen Summarien seiner Schrifft zu lesen für rathsam befunden habe. Wenn indessen die Welt, auch einige vernünfftige Glieder derselben, verschiedentlich von diesem Handel urtheilen; ich aber kein geringes Vertrauen in der ecclectischen Weißheit Ew. HochEdl. setzte, von welcher ich billig vermuthe, daß sie ohne Absehen der Person, so wie ohne Personalien, verfähret : als bin schlüßig geworden, Sie zu beschweren, daß Sie mir über dieser Sache ihre wahre Meynung schrifftlich mögen zukommen lassen, damit ich selbige, bey dem Schluß des ersten Bandes meines musicalischen Patrioten, einrücken, und allen ehrliebenden Gemüthern zeigen könne, ob mir Recht oder Unrecht widerfahren sey.“

Daß Herr Mattheson ein eifriger Leser hochgeistiger Schriften sei, nimmt man ihm gerne ab. Indeß hat der Mann bereits am 1. September 1728***** selber schon mindestens 37 Bücher verfaßt - im Alter von 37 Jahren! Er müßte sich schon gewaltig verstellen, wollte er in der Qualität eines Princen Eugenii depechiren ... Auch die alte Herzogin von Orleans****** kommt da nicht mit:

„Marly den 15 Juni 1709. - Hertzallerliebe Louise, heütte werde ich woll kein neües schreiben von Eüch entpfangen; den alle brieffe, so ahnkommen, gibt man mir hir erst den andern tag. Ich habe aber noch auff eines von Ewern lieben schreiben zu antwortten, werde also ahnfangen, wo ich vor 8 tagen geblieben war, nehmlich wo Ihr mir den pressident von der pfaltzischen regirung, den herrn von Hillesheim, so sehr rümbt. Thewer geht noch woll hin, wen nur nichts fehlt. Ich glaube, daß, wen noch so ein winter käme, wie der letzte, so wir gehabt haben, würden menschen undt vieh vergehen. Zu meiner zeit habe ichs offt geschehen sehen, daß man leütte auff den heylligen berg ermordt hatt, die ich in meinem bett hatt schreyen hören.“

Das ist zwar viel besser als das Beispiel des Princen Eugenii, reicht jedoch an die 'Briefkunst' des Herrn Mattheson bei Weitem nicht heran. Mit dt schreibt man „und“ im Jahre 1709 seit Jahrzehnten nicht mehr, doch muß man Madame zugute halten, daß sie Jahrgang 1652 ist. Immerhin findet sich als einzige Dialectfärbung lediglich die Vorsilbe „ahn-“. Leider wechselt sie rasch zwischen verschiedenen Aspecten hin und her, welche man doch etwas eloquenter hätte ausführen können. Trotzdem sind Madames Briefe ein Genuß. Nicht jeder schreibt eben so wie der Herr Mattheson. Die Frage ist nur, ob man es sich versagen sollte, eine gehobenere Stilqualität anzustreben, indem man ausgerechnet gute Bücher meidet?


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* Man rechnet allgemein 30 Lebensjahre für eine Generation, innerhalb deren gezeugte Kinder wiederum die nächste Generation zeugen möchten.

** Es ist unbegreiflich, warum der Herr Bach im 21. Jahrhundert immer zuerst genannt wird. In der galanten Welt ist er relativ wenig bekannt, während Händel hochberümt ist. Bachs Ruhm blüht ja erst posthum auf. Was der historische Correspondent acceptiren muß, weil er sonst nicht in seiner Zeit steht. Bachanbeter hören dies gar nicht gern.

*** In einem Reprint (Facsimile) erscheinen die Originalbuchstaben wie abcopirt. Natürlich duftet das Papier echter Originale schöner, doch sind sie recht teuer und in Bibliotheken nicht ausleihbar. Wer es sich leisten kann, kauft selbstredend bevorzugt Originale.

**** Jeder menschliche Intelect umfaßt quantitativ, wie qualitativ alles das, was er im Laufe des Lebens aufgenommen hat. Der Consum schlechter Qualität führt in der Consequenz zur geistigen Vermüllung und Degeneration.

***** Erscheinungsdatum von Matthesons „Der Musicalische Patriot“, worin sein Brief, wie auch die Antwort Heumanns, in der Tat abgedruckt sind.

****** Die Herzogin Elisabethe Charlotte von Orleans, aus Churpfältzischem Hause (heute als Liselotte von der Pfalz bekannt, wie man jedoch eine derartig hohe Dame in der galanten Welt nicht allen Ernstes nennen kann, ohne ein einfältiger Grobianus zu heißen!).


Zum Brief Prinz Eugens:

¹ Derartig ausgeprägter Dialect ist in mustergültiger Schriftsprache um 1700 keineswegs üblich.

² In diesen Fällen ist Klein-/Großschreibung auch um 1700 unstrittig. Freilich müßte man den Originalbrief sehen, ob Prinz Eugens Schriftzeichen richtig interpretirt und übertragen wurden.

³ Vestung schreibt man in der Tat vielfach mit V, was bei Feldzug keineswegs üblich ist. Im übrigen ist das dt hier völlig unnötig und unüblich. Bei der „Geldt“-Münze ist dies z.B. anders: Zwar lautet der Plural Gelder, doch kommt das Geld eigentlich ja von dem Verb gelten. Entsprechend ist Geld mit dt durchaus verbreitet. Weitere t sind im Brieftext noch angestrichen, die ebenfalls nicht mustergültig sind.

In der Mitte des Wortes ist tz weitgehend noch üblich. Im Mittelalter war das z eigentlich ein weicher s-Laut gewesen (im Englischen ja noch heute der Fall) sodaß bei scharfen z-Lauten tz in der Tat angebracht gewesen war. Für die Zeit um 1700 mag man dies als Unsinnig empfinden, es ist aber noch absolut üblich und verbreitet. Hingegen hat Prinz Eugen mit anietzo/anjetzo/anitzo eine recht breite Palette zur Auswahl.

Das kh ist schon extrem! Vielleicht möchte der Prinz das a durch ein h dehnen, doch dann hätte das h hinter das a gehört. Eine derartige Dialectfärbung wäre allerdings auch keine mustergültige Schriftsprache.

Der rechte Conjunctiv lautet in diesem Falle auch in der galanten Welt „sollte“ (meistens "solte" orthographirt)! Im vorliegenden Brieftext leidet die Stilqualität an dieser Stelle ganz erheblich.

Es mag sein, daß diese Correctur an der einen oder anderen Stelle ein wenig hart ausfällt. Doch die Richtung, die sie anzeigt, stimmt absolut: Der vorliegende Brief enthält kein qualitativ mustergültiges Teutsch und sollte niemandem zum Vorbild dienen.


Die galante Welt in den Worten der galanten Generation.