Vidi, audi, dixi.

- Allsonntäglich -

Nr. 1.


Anno '09.


Ausgaben:

Project „GalanteWelt“

Galante Peruque

Generalbaß-Musik

Lully – Corelli

Auf Heller & Pfenning

Schrot und Korn

Historischer_Tanz

Museumsbesuch

Galante Epoche?

Warum galante Welt

Wider das 'b'-Wort

Histor. Correspondenz

Messen & rechnen

Reenactment

Der Schreibmeister

Gutnachbarschaftlich

Künftige Erscheinung

Galante Reinlichkeit

Diktatur der Historiker

Liebe Freunde der Galanterie!

Das späte 17. und frühe 18. Jahrhundert ist in der öffentlichen Geschichtswahrnehmung wenig vorhanden. Zwischen Mantel & Degen einerseits und „Rokoko“ andererseits, klafft ein historisches Loch (abgesehen von delicaten Maitressenhistörchen). In der Reenacter- und historischen Ballscene greift man eher zur verspielten Rokokostange, denn zu galanter Mode von 1700. In einem Geschichtsforum stellte ich fest, daß sogar historisch äußerst Beleckte dazu neigen, hilflos nach „Rokoko“-Klischées zu greifen, sobald es sich um die Zeit um 1700 dreht. - Die galante ist eine Welt ohne Lobby.

Den Wenigsten ist klar, daß der Ausdruck „barock“ im 19. Jahrhundert eine bewußte Herabsetzung war - zunächst an keine bestimmte Epoche gebunden. Der Brockhaus von 1864 bezeichnet diesen Ausdruck unverblümt als Synonym zu dem Wort "bizarr" und umschreibt: „... ins Ungereimte und Närrische“. - Tatsächlich bezeichnet die Generation um Anno 1700 ihre Zeit vornehmlich als „galant“, spricht in der Tat von der „galanten Welt“. Die Vorliegende Gazette, der Extraordinari Avisor vor die galante Nachwelt, beschreibt die Welt um 1700 mit deren ureigenen Attributen. Die Sprachbilder der Nachwelt verstellen nur den directen Zugang zur galanten Zeit - wir aber wollen dort möglichst tief eintauchen. Entsprechend werden hier immer wieder Originalquellen zu Worte kommen!

Freilich muß man sich damit abfinden, daß etliche Liebhaber des 17. und 18. Jahrhunderts ihr Interessengebiet mehr als neckisches Spiel auffassen, denn als ernsthafte Beschäftigung mit dem realen Lebensgefühl einer Epoche. Groteske Überzeichnungen empfindet die Mehrheitsgesellschaft als amüsant. Im übrigen ist es wahrscheinlich ganz practisch, eine vermeintlich nicht mehr existirende Welt zu wissen, auf die man seine eigene Decadenz abschieben kann. Etliche spiegeln vorzüglich ihre allerprivatesten Erotikphantasien in diese 'Vergangenheit' hinein, als gäbe es um 1700 nichts als verliebte Narren, die zu unpractisch wären, einen Hammer zu halten. In Wirklichkeit sind die Zeitgenossen der galanten Welt genauso tugendsam, bzw. ausschweifend, wie die des Atomzeitalters. Auch wenn partiell die Menschen der galanten Zeit die Galanterie gern als erotisches Spiel uminterpretiren, ist der galante Codex vom Grundsatz her auf Anstand und Sittsamkeit bedacht.

Die galante Generation muß als Prügelkind für alle möglichen Bizarritäten herhalten, die ein Mensch nur ersinnen kann. Der Extraordinari Avisor vor die galante Nachwelt, wird hier gezielt gegensteuern - als Fürsprecher einer vermeintlich untergegangenen Generation und deren Cultur. Die hier behandelte Epoche ist schließlich Wiege von Humanität, Vernunft, Ethik und Moral. Es geht hier aber durchaus auch um Stilempfinden, guten Geschmack - eben Anstand.

Zumal die breite Öffentlichkeit wenig Freude an solchem Ernst hätte, wendet sich vorliegende Gazette ausschließlich an den engen Kreis Galanterie-Affiner und ist keinesfalls ein öffentliches Blatt, sondern rein jenem privaten Freundeskreis gewidmet, um alldasige Grüppchenwirtschaft vielleicht auch ein wenig aufzulockern ...

Demoiselle

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Zur Ehrenrettung der galanten Generation.