Vidi, audi, dixi.

- Allsonntäglich -

Nr. 8.


Anno '09.


Ausgaben:

Project „GalanteWelt“

Galante Peruque

Generalbaß-Musik

Lully – Corelli

Auf Heller & Pfenning

Schrot und Korn

Historischer_Tanz

Museumsbesuch

Galante Epoche?

Warum galante Welt

Wider das 'b'-Wort

Histor. Correspondenz

Messen & rechnen

Reenactment

Der Schreibmeister

Gutnachbarschaftlich

Künftige Erscheinung

Galante Reinlichkeit

Diktatur der Historiker

Besuch beim Berliner Stadtmuseum

Nicht immer begegnen einem durchgängig freundlich- zuvor kommende Gesichter. Im Stadtmuseum scheint dies normal zu sein, sodaß ich mich spontan wohl fühlte. Für zwei Euronen bekommt man im Märkischen Museum* eine Photoerlaubnis, sodaß man sich seinen individuellen Ausstellungs-Cathalog zusammenstellen kann.

Charmant erschienen mir gleich zu Anfang der Ausstellung Spacir-Stöcke des 18./19. Jahrhunderts, wie sie in vielen Winkeln gar lustig anzusehen. Für den Freund des frühen 18. Jahrhunderts ist zunächst hie und dort etwas dabei – besonders hübsch fand ich die Medicin-Pulverflaschen, welche offensichtlich einem Medicus daselbst dienlich gewesen.

In der Waffenkammer sodann freudiges Erschrecken: Harnische, Degen, Palasche, Feuer-Röhrren aller Art – ja, sogar ein Canon, welches mir eine kleine Haubitze zu sein schien.** - Die ich als Fechterin des öftern mit einem Preussischen Officiers-Degen gefochten, erkannte an dem Originaldegen sogleich die unvergleichlichen Abgüsse wieder, wie sie im Zeughaus Kinnemann gefertigt werden. Lange stand ich da und bewunderte das Originalstück eines Preussischen Officiers-Degens von allen Seiten.

Leider befanden sich zur Zeit keine Geldmünzen in Ausstellungen. Doch der Münzfachmann des Hauses kam mir entgegen, um mir etliche Thaler, Gulden und Ducaten - gar einen Louis d'Or mit Bildnis des Sonnenkönigs – unter die Augen zu legen. Es zeigte sich recht bald unsere gemeinsame Affinität zum Maroccanischen König Muley Arxid,*** darob unser Gespräch recht lang währte. - Nutzbar war zumal erfahren zu haben, daß Reichsthaler-Speciesmünzen im Münzhandel zuweilen als Neuprägungen zu haben sind.****

Am 2. Juli war im Märkischen Museum Sommerfest – eine Art Tag der offenen Tür. Als ich da den volkreich besuchten Innenhof erblickte, hätte ich vor Entzückung in Ohnmacht fallen mögen: Dieser Hof ist stilistisch dermaßen beschaffen,***** daß er sich hervorragend zur Theaterkulisse für Romeo & Julia schicken wollte.

Das Märkische Museum ist einfach wunderbarlich!

Demoiselle


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* Prachtstück des Berliner Stadtmuseums, welches annähernd wie eine Trutzburg anmutet.

** Eine Feldschlange war es, ob des kurzen Rohres, jedenfalls kaum.

*** Welcher seinerzeit den Sonnenkönig bewunderte und imitirte.

**** Dies sogar deutlich unter dem Verkehrswert von 1709, wenn man Professor Rehms Schweinefleischpreise vergleichend heranzieht (mehr dazu im Articel „Heller & Pfenning“).

***** Mir wurde erläutert, man hätte bei der Erbauung, in wilhelminischer Zeit, bewußt Versatzstücke aus älteren Bauwerkresten dort mit hinein integrirt.

Nachbemerkung in 1715 (2015): Das Entzücken über dieses "wunderbarliche" Museum klingt im Nachhinein etwas aufgesetzt. Tatsächlich waren die Menschen dort sehr freundlich, doch abgesehen von dem Münzexperten, fand ich keinerlei Menschen die mir das Wasser reichen konnten. Der offene Tag wuselte nur so von adrett gekleideten, freundlichen Leuten, doch war dies keineswegs was ich erhofft hatte. Vor allem der das Museum fördernde Verein entsprach nicht meinen Erwartungen: In meinen Tagträumen hoffte ich hier auf andere Privatgelehrte zu treffen, mit denen sich etwas dicutiren und erarbeiten ließe. Diese Institution neigt jedoch dazu, academische Historiker einzuladen, um nur deren Autorität zur Geltung zu bringen. Geschichtslaien, die eine mir vergleichbare Motivation gehabt hätten, traf man dort offenbar nicht. Ich verfolgte damals für einige Wochen das Veranstaltungsprogramm dieses Vereins und verlor schließlich tief enttäuscht das Interesse an dem Museum. Die eigentliche Erfahrung war damals, daß die bürgerliche Welt nicht die meine sein kann und daß man in dergleichen Institutionen auf nichts anderes als das stoßen wird.


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